Newsbeiträge
Rat und Verwaltung: Juist bekommt nun eine motorgetriebene Bimmelbahn
Nach langem Hin und Her hat der Gemeinderat der Insel Juist, der am Donnerstagabend vollzählig tagte, eine Entscheidung in Sachen Flugplatzanbindung getroffen. Mit der Mehrheit von sieben Stimmen wurde die Verwaltung beauftragt, das Antragsverfahren zur Einrichtung einer Wegebahn (Bimmelbahn) auf den Weg zu bringen und positiv zu begleiten.
Dabei soll die Bahn von der Kurverwaltung gekauft und an einen Betreiber – wahrscheinlich die Antragsteller – verpachtet werden, womit man einen stärken Einfluss auf der Projekt habe. Eine solche Bahn steht derzeit auf der Insel Amrum zum Verkauf. Die Kaufsumme soll 150.000 Euro incl. Anschaffungsnebenkosten nicht überschreiten.
Für die Bahn (wobei es sich um keine Bahn im eigentlichen Sinne handelt, sondern um einen als Lokomotive verkleideten und umgebauten Trecker mit zwei Personenanhängern) stimmten die komplette CDU-Fraktion, aber auch zwei Vertreter von Pro Juist und ein Mitglied der Grünen. Lediglich zwei Pro Juist-Ratsherren, eine Ratsfrau der Grünen und der Bürgermeister stimmten dagegen.
Man konnte merken, dass die Befürworter es sich mit dieser Entscheidung nicht leicht gemacht hatten, aber sie sahen, dass sich die Anbindung auf Pferdekutschenbasis nicht rechnet und die Bahn die einzige Möglichkeit sei, den gewerblichen Verkehrslandeplatz Juist in seiner bisherigen Form zu erhalten. Nach der Einstellung der FLN-Fluglinie von Norddeich fliegt derzeit die OFD zweimal täglich von Emden. Die Norwegische Fluggesellschaft Scandinavian Seaplanes ziehen die Wiederaufnahme der Flugverbindung Norddeich – Juist in Betracht, machen dieses aber vom Bestand einer Anbindung vom Juister Flugplatz in den Ort abhängig.
Die Jugendbildungsstätte als Betreiber des Platzes sieht die Zahl der Starts und Landungen des OFD für nicht ausreichend an. Die Flugbewegungen der Scandinavian Seaplanes seien daher zwingend zum wirtschaftlichen Überleben des Verkehrslandeplatzes notwendig. Vor diesem Hintergrund wurde zusammen mit dem Nordseehotel-Freese der Antrag auf Einrichtung einer Wegebahn gestellt. Das Nordseehotel ist schon seit dem vergangenen Jahr als Chaterer für Lehrgangsteilnehmer der Jubi tätig und will zudem als neuer Pächter das Flughafenrestaurant betreiben.
Bürgermeister Dr. Tjark Georges behagte die Entscheidung für die Bahn gar nicht, insbesondere befürchtet er, dass auch andere Betriebe oder z.B. der Landkreis (Müllabfuhr) jetzt vielleicht ebenfalls entsprechende Anträge stellen könnten. Aufgrund dieser Ratsentscheidung wisse er nicht, ob der Rat denn überhaupt noch hinter ihm stehe. Hierauf ging aber kein Ratsmitglied ein, weil diese Anmerkung vom Verwaltungschef in den letzten Jahren immer kam, wenn der Rat Entscheidungen traf, die nicht mit seinen persönlichen Vorstellungen überein stimmen.
Über den Antrag muss jetzt noch der Landkreis entscheiden, weil die Straßen auf Juist nur für Pferdegespanne, Fahrräder usw. gewidmet sind und deshalb eine Ausnahmegenehmigung erforderlich ist.
Trotz der Wegebahn gab es auch eine starke Mehrheit von acht Ratsmitglieder, parallel dazu dem Konzept der HUF Spedition zu folgen, wonach ein Liniendienst mit Pferdekutschen zwischen Loog, Dorf und Flugplatz eingerichtet werden soll. Dazu soll es ein Tagesticket für zehn Euro geben, womit man so oft fahren kann, wie man möchte. Dieses Konzept soll erst einmal nur für den Sommer 2025 gefahren werden, würden in dieser Zeit 32.000 Tagesfahrkarten verkauft werden, rechne sich die Sache.
Allerdings ist diese Sache trotz positiven Ratsbeschluss noch nicht in trockenen Tüchern, denn während der Vorstellung der Variante Pferdekutschenanbindung kam plötzlich vom Bürgermeister eine ganz andere und neue Zahl auf den Tisch. Während im Beschlussvorschlag stand, das Risiko wird mit 25.000 gedeckelt, standen nun plötzlich 50.000 Euro im Raum. Das sorgte beim Rat für Verwunderung und auch Verärgerung. Björn Westermann (Pro Juist): „Warum jetzt andere Zahlen als im Beschlussvorschlag, die wir in vielen Stunden erarbeiten und so durch Verwaltungsausschuss brachten? Ich fühle mich hier veräppelt!“
Die neuen Zahlen seien durch weitere Verhandlungen und Berechnungen der HUF Spedition zustande gekommen, so Goerges. Besonders sauer stieß den Ratsvertretern dabei auf, dass die Risikoabdeckung der Gemeinde sich auf die ersten 50.000 Euro bezieht, d.h. erst wenn ein höherer Verlust als diese Summe entstünde, würde sich die Spedition an der Verlustabdeckung beteiligen.
Dazu gab es zahlreiche Wortbeiträge, unter Stich wollten fast alle, dass die 50.000 Euro Risikoabdeckung paritätisch zwischen Kurverwaltung und Spedition geteilt wird. Der Beschlussvorschlag wurde dahingehend abgeändert. Allerdings verkündete der Bürgermeister, dass er davon ausgeht, dass die HUF Spedition bei einer 50 : 50 Risikobeteiligung nicht mitziehen werde. Daher muss nun nochmal mit der Spedition verhandelt werden, anschließend ist ein erneuter Beschluss durch den Rat dazu erforderlich. Da der Bürgermeister aber die nächsten zwei Wochen in Urlaub ist, soll die Sache vom allgemeinen Stellvertreter Thomas Vodde weitergeführt werden.
Auf Amrum laufen drei der mit sehr sparsamen Dieselmotoren angetriebenen Bahnen. Die Amrumer Inselbahn beschäftigt dazu einen Mitarbeiter, die beiden anderen Züge werden von Inhaber Hinrich Friedrichs und seiner Frau gefahren. Unter anderem werden damit auch Gäste vom Hafen in die einzelnen Orte der Insel gefahren. „Nach Corona wurden aber die Gruppen weniger und auch kleiner, daher möchte ich gerne eine Bahn abgeben und den Betrieb verkleinern“, so Hinrich Friedrichs, der zudem ein Hotel mit Restaurant betreibt, zu den Gründen für den Verkauf. Die Wagen wären erst acht Jahre alt und sehen nach einer Renovierung wie neu aus, so Friedrichs. Er geht davon aus, dass diese Bahn eine Attraktion für Juist werden könnte: „Nach unserem Leuchtturm ist die Bahn hier das meistfotografierteste Objekt der Insel.“
Unser Foto zeigt die Wegebahn, die Juist bekommen soll.
TEXT: STEFAN ERDMANN
FOTO: AMRUMER INSELBAHN