Am Donnerstagabend (24. Juli 2025) hatten die Initiatoren des ursprünglichen Bürgerbegehrens, Heike Heiken und Julia Löhmann, noch einmal kurzfristig zu einem Informationsabend ins Dorfgemeinschaftshaus eingeladen, um vor der wichtigen Wahl am 3. August noch einmal Gelegenheit zu geben, einen aktuellen Überblick über den Stand der Diskussionen zu bekommen.
Trotz Kurzfristigkeit, Hochsaison und einiger anderer inselinterner Veranstaltungen fanden sich mehr als vierzig Insulaner ein und es wurde ein anderthalbstündiger Abend mit Diskussion, verschiedenen Meinungen und gegenseitigem Zuhören - Demokratie im besten Sinne.
Heike Heiken erläuterte zunächst die derzeit für die Flughafenanbindung gefundene Lösung, die den Flugverkehr seit Mitte Juli hat wieder anlaufen lassen. Für den Transport ins Dorf wurde ein Rikschaunternehmen beauftragt, das sich zuverlässig in Absprache mit der Fluggesellschaft zur Abholung mit einer 4-Personen-Rikscha einfindet. Mit dieser autofreien Lösung, die den kurzfristigen Einsatz einer Wegebahn überflüssig gemacht hat - und zudem günstiger ist - sind die Gäste bisher sehr zufrieden. Bedauerlich ist lediglich der vernachlässigte Zustand der Gastronomie am Flughafen, die den vielen Sommergästen derzeit den beliebten Ausflug zur Ostspitze verleidet. Das Unverständnis darüber war groß, zumal dieses Restaurant sehr exklusiv von dem von allen Juistern finanzierten Rikschaverkehr profitiert.
Eine Dauerlösung ist die Anmietung des Rikschaunternehmens sicher nicht, aber es besteht nun die Möglichkeit, sich ohne den Druck einer Notlage der Frage zu widmen, wie die Verkehrssituation auf Juist in Zukunft aussehen soll.
Kritisiert wurde von den Initiatoren dabei, dass trotz des nun schon fast acht Jahre zurückliegenden Auftrags an die Gemeinde kein Konzept vorliegt, wie die seinerzeit im Lebensraumkonzept „Lebendiges Juist“ formulierten Ziele für den Verkehr angegangen werden sollen. Dort war ausdrücklich als oberste verkehrstechnische Priorität das Beibehalten der Pferdewirtschaft und der Autofreiheit festgehalten worden.
Genauso fehlt es aber auch an einem alternativen Konzept für die Einführung einer Wegebahn, die - unabhängig davon, ob sie mit Diesel oder Strom fährt - ein Kraftfahrzeug ist und damit für die ganze Insel eine Welle von Veränderungen auslösen wird.
Denn, so betonte es Julia Löhmann nochmals ausdrücklich, das oft vorgestellte Wunschbild einer einzelnen Kfz-Zugmaschine für Personentransport zwischen Hafen und Flugplatz ist eine Illusion. Das niedersächsische Verkehrsministerium hat zu dieser Situation deutliche Worte gefunden: „Jeder Unternehmer hat einen grundrechtlich verbürgten Anspruch auf Zugang zum Verkehrsmarkt, sobald er die gewerberechtlichen Voraussetzungen erfüllt.“ Im Klartext: Wenn dieser Kfz-Verkehr einmal irgendwo auf der Insel eröffnet wird, dann kann anderen das für andere Teile der Insel nicht verwehrt werden. Der Blick auf einige Nachbarinseln ist da sehr hilfreich, wo genau das geschehen ist.
Aus diesen Erfahrungen ist es nach Ansicht der Initiatoren das Mindeste, dass für eine solche Veränderung ein Konzept vorgelegt wird, BEVOR einfach mit einer ersten Wegebahn der Startschuss zu einer Umgestaltung unserer Insel gegeben wird. Nachdem es derzeit für eine Wegebahneinführung auch keinen Bedarf gibt, sichert ein „JA“ am 3. August, dass dies zur Bedingung gemacht werden kann.
Die schärfste Kritik trifft jedoch einen ganz anderen Bereich – und zwar die Tatsache, dass der Inselgemeinde seit Jahren, eigentlich Jahrzehnten, die Teilnahme an der Daseinsvorsorge in Form eines Öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) verwehrt wird. Träger dieser Aufgabe ist der Landkreis Aurich, der an seine Pflicht auch über die Jahre immer wieder von der Gemeinde erinnert worden ist.
Doch der Landkreis entzieht sich dieser Pflicht mit dem schlichten Hinweis, ein ÖPNV könne nur motorisiert betrieben werden. Klartext: Man macht zwar gern Werbung mit der einzigartigen Urlaubsinsel Juist im Landkreis und seiner entschleunigten Pferdewirtschaft – aber wenn es darum geht, die saisonalen Gäste verlässlich zwischen den Ortsteilen oder dem Flughafen zu transportieren oder den älteren bzw. weniger mobilen Mitbürgern ganzjährig eine Erreichbarkeit von Arztpraxis oder Apotheke zu ermöglichen, dann soll sich Juist als einzige Gemeinde Deutschlands doch bitteschön selbst privatwirtschaftlich darum kümmern.
Julia Löhmann, selbst Juristin und lange Zeit im Verwaltungsdienst tätig, wies dazu auf den eklatanten Widerspruch zum Niedersächsischen Nahverkehrsgesetz hin, in dem von einer Motorisierung der Verkehrsmittel nie die Rede ist. Im Gegenteil: der Nahverkehr soll sich der Regionsstruktur anpassen und so umweltverträglich wie möglich sein.
Wie das im Widerspruch zu einer modernen Pferdewirtschaft stehen soll, die nun einmal die hier vorhandene Regionsstruktur ist, ist unerklärlich. Es traf auf den ungeteilten Zuspruch des Publikums, hier der Inselgemeinde den Rücken zu stärken, den Landkreis endlich rechtswirksam in die Pflicht zu nehmen, seiner Aufgabe auf Juist nachzukommen.
Mit der Einrichtung eines ÖPNV wäre ein großer Schritt dahin getan, für die jetzigen und zukünftigen Pferdebetriebe wieder wirklich attraktiv zu sein und ein tragfähiges Konzept für die Zukunft erstellen zu können. Dass ein pferdebetriebener ÖPNV keine Utopie ist, hat uns Juist seine frühere Partnerinsel Hiddensee im übrigen schon vorgemacht: Ursprünglich aus Corona-Zwängen entstanden, ist dort der Ersatzverkehr (ebenfalls ÖPNV) durch Kutschen bei Ausfall des E-Busses seither gang und gäbe – und sorgt nebenher im übrigen zeitweilig sogar für ein stärkeres Fahrgastaufkommen als bei Betrieb des E-Busses.
Abschließend wiesen Heiken und Löhmann noch auf die unmittelbaren zu erwartenden Folgen hin, die hier eine zunehmende Motorisierung für die Ortsstraßen nach sich ziehen wird. Anknüpfungspunkt war dabei der bereits im April geäußerte Wunsch des Landkreises, die derzeitige Müllkutsche abzuschaffen und durch einen regulären E-Müllwagen zu ersetzen, wie er auch am Festland im Einsatz ist. Das ist nicht nur ein weiterer Schritt in die Beliebigkeit als Ferienziel, sondern auch ein Gewicht auf den Inselstraßen im Dauereinsatz, für das diese nicht gemacht sind. Das betrifft nicht nur die unbefestigten Straßen im Dorf. Auch z. B. die Friesenstraße oder die desolate Billstraße ist dem erkennbar nicht mehr gewachsen.
In Niedersachsen wird bei solchen Sanierungen immer noch von vielen Gemeinden, zu den leider auch Juist gehört, nach wie vor der Anlieger, also der anwohnende Hauseigentümer, zu der Beteiligung an den Kosten herangezogen. Im Schnitt wären das im Innendorfbereich zwischen 50 und 75% der Kosten.
Aus dem Publikum erinnerte sich dazu ein Juister daran, wie schwer seine Familie damals daran zu tragen gehabt hatte, als die Wilhelmstraße im Bereich des heutigen Hotel Achterdiek neu gepflastert wurde und dem Haus ein Anteil von seinerzeit rund 40.000 DM auferlegt worden war.
Der Abend schloss mit der dringenden Bitte der Initiatorinnen, am 3. August zur Wahl zu gehen (Briefwahl ist bis zum 1. August möglich). Dazu sagten sie: „Am Wichtigsten ist es, DASS wir selbst bestimmen, wie es mit Juist weitergehen soll. Diese Wahl hatten die anderen Inseln nicht.
Wir werben bei Euch und allen anderen aber gleichzeitig darum, mit einem „JA“ bei dieser Wahl dafür zu stimmen, dass wir zum einen die Chance haben, unsere Einzigartigkeit mit einer entsprechenden modernen Pferdewirtschaft neu aufzustellen oder aber zum anderen zumindest nicht konzeptlos in eine Veränderung zu stolpern, die uns alle viel kosten kann.
Der Flughafen ist in Betrieb, wir haben jetzt die Chance, das Ganze geordnet anzugehen. Denn es geht nicht nur um den Flughafen. Es geht um ganz Juist, um uns und um die nächste Generation, an die wir Juist weitergeben werden.“
(Infos unter www.pferdeinsel-juist.de)
Zu unserem Foto: Diskussionsfreudige Stimmung im Dorfgemeinschaftshaus Juist am 24. Juli 2025 mit den Initiatorinnen des Bürgerbegehrens Julia Löhmann (links) und Heike Heiken (rechts)
TEXT UND FOTO: JULIA LÖHMANN